DER DDR
Diese Dokumentation entstand zwischen Dezember 1991 und April 1993 in verschiedenen Industriebetrieben der ehemaligen Großkombinate. Sie veranschaulicht den Zusammenbruch der ostdeutschen Industrie nach der Wende.
In der postindustriellen Phase, in der immer mehr Arbeiter aus dem industriell-produktiven Sektor hinausgedrängt wurden, traf es den Osten Deutschlands mit seinen veralteten Produktionsformen besonders hart. Die ständige Angst vor Entlassung bzw. das Bewusstsein der bevorstehenden Kündigung stand den Menschen ins Gesicht geschrieben. Galt die Fabrik im Sozialismus als fester, unkündbarer Bestandteil des Lebens, so lief die neue Zeit auf ein Leben in ständiger Unsicherheit hinaus. Im Mikrokosmos des Industriebetriebs wurde das Dilemma des Verfalls der ursprünglichen Wertvorstellungen und Ideologien der gesamten ostdeutschen Gesellschaft besonders deutlich. Die alten Werte zählten nicht mehr, die neuen waren noch nicht akzeptiert – die Folge war ein Identitätsverlust sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft insgesamt. Das Absterben der Industrien in Ostdeutschland lässt sich somit analog zum gesellschaftlichen Werteverfall begreifen.
Ein grundlegendes Moment der fotografischen Erfassung liegt in der Isolierung und Stilisierung einzelner Momente aus dem räumlichen und zeitlichen Kontext. Mich interessierten hierbei die Spuren, die die Strukturen des Arbeits- und Lebenszusammenhangs im menschlichen Habitus zeigen und damit auf den gegenwärtigen gesellschaftlichen Zustand verweisen. In den Gesichtern, in der Haltung, in der Bewegung und im Verhalten des Einzelnen hat sich meiner Wahrnehmung nach die langjährige Arbeitserfahrung eingeprägt.