Wenn Balearen-Kenner schwadronieren, hört sich das meist so an: Putzfraueninsel, Partymeile, Ballermänner, Schicki-Micki-Treff, Rentnerparadies, Golferhochburg und Finca-Wahn – kurz, Ausverkauf und Abzocke.
Ich aber liebe Mallorca. Diese Mittelmeerinsel ist überschaubar. Sie hat tolle Landschaften, in denen sich nette Einwohner tummeln, dazu super Essen und viel Sonne, Meer, Fiestas und Fincas. Und an manchen Tagen braucht man nach Mallorca nicht länger als von Düsseldorf nach Köln. Wenn man das nötige Kleingeld hat, kann man hier autonom und freakig leben – als Tourist. Als Einheimischer hat man’s nicht ganz so leicht, es sei denn, man genießt das zweifelhafte Glück, in der Immobilien- oder Tourismusbranche zu arbeiten.
Leider fallen nicht nur während der Sommersaison Teutonen, Briten und Skandinavier heuschreckenartig auf Mallorca ein, also jene, denen die Insel ihr Image verdankt. Auch außerhalb der Saison ist Mallorca sehr deutsch, und als Hörer des Inselradios hat man schnell heraus: Hier gibt es alles, was es auf dem deutschen Festland auch gibt. Mit anderen Worten: Das 17. deutsche Bundesland ist so beliebt wie kein anderes – und woher die Reiseführer immer aufs Neue ihre unberührten oder gar unentdeckten Strände nehmen, bleibt mir ein Rätsel.
Tatsache ist: Es gibt auch Schattenseiten. Die Zahl der deutschen Finca-Residenten steigt trotz horrender Immobilienpreise. Die Inselverwaltung ist äußerst schwerfällig, das Schulsystem ohne System, und Politik und Wirtschaft leiden unter Korruption und Willkür. Außerdem hapert es an allem Möglichen: am Tier- und Naturschutz, an Wasserreserven zur Sommerzeit, an Jagd- und Brennverboten zur Winterzeit, am Verbot von Motorradrennen in den Bergen und vielem mehr. Nun ja, das ist der Preis für den sympathischen Umstand, dass Mallorca doch noch nicht ganz und gar eingedeutscht ist.
Der Autor Martin Joachim zieht in seinem Buch Mallorca zwischen Traum und Trauma daraus den melancholischen Schluss: „Alle wollen ein Stück von der Insel: die Touristen, die Residenten und nicht zuletzt die Mallorquiner selbst. Gegensätzliche Interessen und Bedürfnisse sind kaum mehr unter einen Hut zu bringen. Mallorca steht vor dem Burnout.“